La poubelle cuisine

Autobahntankstelle Turin Nord

Strömender Regen auf der nächtlichen Ringautobahn von Turin, viel Verkehr und ein schreiendes Kind im Wagenfonds - Zutaten, die einen regelrecht dazu animieren, in aller Ruhe ein gediegenes Viersternrestaurant zwecks Candlelightdinner mit Vorspiel zu suchen. Nun, die nächste Haltegelegenheit war kein solches, sondern nur eine Tankstelle. Immerhin mit Stehbar und Sandwichtheke, so dass wenigstens die Verpflegung gesichert schien.

Die Wahl war angesichts der Auswahl schnell getroffen: Ein Panino mit Pouletschnitzel und Salatblatt. Caldo? Aber sicher. Ab damit in die Mikrowelle.

Die Dauer, die das eingeklemmte frigide Grippegeflügelleichenteil in der Strahlenbox verbrachte, reichte allenfalls dazu aus, in der botanisch wertvollen Mikroben­population, die auf ihm gerade Jahres­versammlung abhielt, keinen grösseren Schaden anzurichten sondern Party­stimmung aufkommen zu lassen. So recht
fröhlich wurden sie aber doch nicht dabei, da ihnen offensichtlich vorzeitig die Getränke ausgegangen waren - der Vogel war so trocken wie die Sahara im Sommer, die Panade eine Sanddüne. Mayonnaise wäre darauf wahrscheinlich subito verdunstet und die Butter erwies sich als Fata Morgana. Das Salatblatt von der Konsistenz einer Mumienhaut hatte in der Mikrowelle den Rest gekriegt und raschelte dürr im Wüstenwind. In der Ferne heulten die Wölfe.

Das zum Nachtisch auserkorene Cono mit Eiterfüllung hatte der Lokalinhaber wahrscheinlich auf dem Schwarzmarkt von einem Etruskergrabräuber erstanden und zeugte wie das Panino mehr von der grossen Vergangenheit als von der Kochkunst Italiens.

Fairerweise boten jedoch das Lokal, dessen Bedienung und Kundschaft allerhand ablenkende Appetitzügler und Ladenhüter. Von einer vollständigen motofetischistischen Kollektion inklusive Porscheschlüsselbund und Achtzilindervibrator über rosarote Pinguine zu abstrusen Süssstoffpyramiden, die auf Kinderaugenhöhe plaziert ihr Zielpublikum gründlich verfehlten, wie
unsere Tochter bewies, war wohl die gesamte Innenausstattung VRG-pflichtig. Erstaunt waren wir nur, dass die Kondome auf dem Klo verkauft wurden und nicht zwischen den Panini und Coni - wahrscheinlich wäre der Gummi spröde geworden oder die Panini nicht mehr gelaufen. Das samstagabendliche schlechtgekleidete Macker-Tussi-Publikum mit verschleimten Haaren war offensichtlich in allen In-Lokalen von ganz Turin rausgeschmissen worden und suchte hier sein Seelenheil oder ein passendes Steckteil.

Ob es Erfolg hatte, wissen wir nicht - Klein-Eva beteiligte sich mit vollen Windeln an der schmierigen Stimmung, was uns einen tollen Fluchtvorwand gab. Exitus statt Coitus.
14.10.2006

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