La poubelle cuisine

Flug mit MALEV von Zürich via Budapest nach Thessaloniki: Kulinarischer Tiefflieger

Bei der obligaten Sicherheitsinstruktion vor dem Start hatte die Stewardess ausgerechnet das lebensrettendste aller im Flieger vorhandenen Requisiten zu erwähnen vergessen: das blaugrüne Papiertütchen in der Tasche des Vordersitzes. Das dieses nicht nur so zum Spass da steckte, wurde bereits eine Viertelstunde nach dem Start klar, als Schwaden von kompostwarmen Glutamatdünsten durch den Gang zu wabern begannen. Leider hatten wir hier bereits die erste technische Panne: Die Sauerstoffmasken fielen nicht wie versprochen automatisch von der Decke. Was verheissungsvoll begann, setzte sich auch so fort: Von der Business-Klasse her schob sich langsam aber unerbittlich ein Gefährt, welches entfernt an einen Leichenwagen für Backhändel erinnerte, in unsere Richtung. Die Ofentür öffnete sich, und die Bestattungsbeamte händigte uns mit völlig unangebrachtem Lächeln einen Kartonsarg aus, welcher mit einem Kleber verschlossen war, auf welchem das
Bestattungsdatum zu lesen war. Mutig öffneten wird unsere Särge und dabei zeigte sich, dass es sich um Familiengräber handeln musste: Zum einen war da ein quadratisch geformtes, aber unbarmherzig diagonal guillotiniertes Weizenmehl­marshmallowgebäck, welches mit einer Masse aus Wabbelweiss und naturidentischen Gemüseteilchen gefüllt war, die beim Verzehr herrlich erfrischend über die Finger glibberte, zum anderen war da ein UFO (unidentifizierbares fressbares Objekt) in kuschelmonsterroter Verpackung mit weissen Punkten und der Aufschrift "Pöttyös". Der Inhalt war zweifelsfrei schokoladenüberzogen. Da hörte die Gewissheit aber schon auf. Im Ueberzug verbarg sich eine etwas festere Weiss­masse, welche in der Konsistenz irgendwie an den Inhalt einer gebrauchten Windel erinnerte, im Geschmack ebenso. Genau so hatte ich mir in meinen schönsten Träumen Pöttyös immer vorgestellt! Etwas ratlos waren wir bezüglich der Bedienung der obenerwähnten blaugrünen Papiertüte: Mangels Instruktion wussten wir nicht so recht, ob wir den Sarginhalt vor oder nach der Einbalsamierung mit Magensäften dort hinein werfen sollten. Wahrscheinlich spielte es gar keine Rolle. Da wir ja gegen Osten flogen, entschieden wir uns zu dem Verhalten, welches das Immunsystem
besser stärken würde. Glücklicherweise wurde uns bereits beim zweiten Bissen in den MacMatsch Spülkaffee serviert. Ungeschickterweise sahen die grauen Tütchen für Zucker und Erfrischungstüchlein völlig identisch aus. Erst nach der Verwendung eines der Tütchen stellten wir fest, dass eben nicht "çukor", sondern "Methylchloroisothiazolinone" enthalten war. So gab es eben Kaffee "mit", nämlich mit einem Schuss 4711. Nach der erfolgreichen Vernichtung der Kulinarien galt es, deren sterblichen Reste, Häute, Knochen etc. wieder in den Sarg zurückzustopfen, was angesichts der erstaunlichen Menge dieser Erbmasse gar nicht so einfach war. Zudem blieb nicht viel Zeit dazu, denn der Leichenwagen, der sich in der Zwischenzeit zur Müllabfuhr verwandelt hatte, rückte wieder unerbittlich näher. Wenigstens konnte man nun im dröhnenden Sinkflug des Müllbombers gegen Budapest hin sich unbemerkt hemmungslos dem analen Druckausgleich hingeben.
13.4.2006

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