Ein Kater namens Sidi Brahim

Einstieg durch Ausstieg vom Ausstieg

Das war ein Schnäppchen! Erst konnten wir uns lange nicht entscheiden zwischen Grande Dixence und Beznau I. Vor allem Platzgründe haben gegen Grande Dixence gesprochen - unser Garten ist doch etwas zu klein - aber auch das etwas geringe Gefälle bis zur Aare hinunter, welches uns befürchten liess, dass es dann doch nur zum Betreiben von ein paar Sparlampen reicht. Als Spätachtundsechziger haben wir uns aus nostalgischen Über­le­gun­gen schliesslich für Beznau I entschieden (Baujahr 1969). Was schon seit fast 50 Jahren hält, wird auch weiterhin halten. Solide Schweizer Qualität eben. Wie solide weiss man zwar nicht, da die Baupläne verlegt wurden. Nun versuchen jedoch Experten der Fachstelle rekonstruktive Archäologie, welche bereits das Pfahl­bauer­dorf in Gletterens wieder­aufgebaut haben, anhand von flüchtigen Isotopen, DNA-Analysen in der Atom­müll­halde bei la Hague und erfolgs­verspre­chenden Feldversuchen mit Feuerstein und T-Rex-Rückenwirbelknochen die Bauweise des Reaktors in einer bau­glei­chen Anlage im Massstab 1:10 zu ergründen, welche in Swissminiatur zu stehen kommt (Ballenberg ist schon belegt). Klar ist jedoch, dass in Beznau I im Gegensatz zu Leibstadt keine Feuerlöscher montiert wurden und dass
das Werk im Gegensatz zu Mühleberg eine unbefristete Betriebsbewilligung besitzt und somit als sicher gelten kann.

Ein Schnäppchen war es vor allem, weil dank dem freien Strommarkt Wasser- wie Atomkraftwerke so günstig sind wie noch nie. Ein gebrauchtes AKW kostet zurzeit weniger als fünf Tonnen neue Pellets, was uns schnell bewogen hat, einen System­wechsel vorzunehmen. Gebrauchte, aber noch funktionstüchtige Brennstäbe gibt’s aktuell auf eBay ganz günstig, seitdem das Endlager am Gotthard wegfällt. Ausserdem sollen ja in Kürze die Subventionen für Solaranlagen auf die AKWs umgeleitet werden, schliesslich muss ja angesichts des Solarenergiebooms die Atomkraft nun als alternative Energie betrachtet werden. Ein Schnäppchen war es auch, weil wir damit unseren Nachbarn in den Schatten stellen konnten, welcher gerade dabei ist, seine neu erstandene Schmelzkern­skulptur aus Fukushima im Vorgarten auf Hochglanz zu polieren. Die sieht zwar schön aus, die Energieabgabe ist aber doch etwas diffus. Fernsehen, Frittieren und Föhnen kannst du damit nicht, nur als Ersatz für die Mikrowelle kann sie durchgehen: wenn du den Gratin auf den Balkon stellst ist er nach 30 Minuten tatsächlich durch.

Das reicht uns aber nicht. Alle Kraftwerk­betreiber in der Schweiz stehen scheinbar vor dem Bankrott, der Staat sieht sich auch nicht wirklich als Kraft­werk­brocken­stube,
gleichzeitig aber wird Strom zur Conditio sine qua non: Telefonieren geht bald nur noch digital, also mit dauernd am Netz hängendem Modem. Gut, mit einer gezielten Kulturtechnikverweigerung bräuchten wir Tante Berta nicht jeden Sonntagmorgen zu erklären, dass wir auch gerne mal ausschlafen würden, aber auch wir nutzen die Fernmeldetechnik bisweilen als modernen Voodooersatz, um kurz vor dem Tatort das Wetter in Bern durchzugeben oder beim Nachtessen bewährte Familienabläufe durcheinander­zumischen. Man hat ja sonst keinen Spass mehr. Aber auch die Zahnbürste, der Hamster­füt­terungs­automat und der Bewegungsmelder im Kühlschrank gehen ja nicht ohne Strom. Und meine Tochter beharrt auf dem Menschenrecht, im Klo mal das Licht brennen zu lassen, und zwar nicht nur, solange der Hamster noch wach ist und seine Runden dreht. So sahen wir uns gezwungen zu handeln: Die Axpo im Haus erspart den Zimmermann. Jetzt können sie Mühleberg meinetwegen 2019 abstellen. Bei uns werden die Lichtlein weiter brennen.

Apropos: Warmwasser haben wir jetzt genug - wir hätten noch günstig eine Solaranlage abzugeben. Und ein Hamsterrad.
Kraft durch Futter

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