Ein Kater namens Sidi Brahim

Radkäppchen und der böse Golf (reloaded)

Es war einmal ein Radkäppchen. Das war ganz grün, bis hinter die Ohren. Weil die Welt aber vier Jahre lang so braun und öd war und nichts Grünes mehr zu sehen war, wurde es dem Radkäppchen zu bunt, oder eher zu einsam, und es beschloss, seine Grossmutter zu besuchen, welche tief im Wald lebte und auch sehr grün war. Es packte sich einen frischen Keilriemen und eine Flasche Bio-Kettenöl ein und machte sich auf den Weg.

Als es aber mitten im dunklen Wald war, kam plötzlich der Golf angebraust. Auch der war ganz grün, sogar der Rückspiegel und der Spoiler waren grün, aber innen war er ganz schwarz, und die Auspuffrohre, die glänzten und glitzerten in verlockendem Chromstahl, so wie es sich das grüne Radkäppchen in heimlichen Momenten für sich auch wünschte. Aber es war streng und mit viel bleifreiem Gemüse erzogen worden, und Chromstahl, das hatte seine Mutter ihm immer wieder eingeschärft, ist des Teufels. Trotzdem, so wie es an dem Golf glänzte, war das Radkäppchen ganz beeindruckt, was dem Golf natürlich gefiel und er seine acht Zylinder schnurren liess. „Wo kommst du her?“ fragte das Radkäppchen. „Aus Wolfsburg, der Heimat des Erfolgswagens“ antwortete der Golf. „Darf man da Chromstahl tragen, ist das nicht böse?“ fragte das Radkäppchen ganz naiv. „Man darf. Ich habe nämlich ein Ablassventil eingebaut und brauche deswegen nie mehr ein schlechtes Gewissen zu haben. Ausserdem sind meine Pneus zu 100% aus
recyclierten Birkenstöcken. Aber wohin des Weges willst du?“. Radkäppchen war so beeindruckt, dass es leider alle Sicherheitsratschläge ihrer Mutter vergass und verriet: „Ich will meine Grossmutter besuchen, die wohnt am Ende des grossen Waldes, zusammen mit ihren beiden Schwestern. Kannst du mich mitnehmen?“. Der Golf hatte aber sofort begriffen, dass er beim nächsten Rasertreffen eine gute Figur machen würde mit grünen Radkäppchen, aber dazu müssten es schon vier sein, so antwortete er: „Nein, tut mir leid, ich muss in die andere Richtung zum Bio-Wochenmarkt.“ Röhrend startete er durch und hinterliess eine Testosteronwolke. Radkäppchen atmete tief ein und ging träumend weiter.

Der Golf aber fuhr sofort ans Ende des Waldes und klopfte an die Tür der Grossmutter. „Wer da?“ fragte diese. „Der TÜV. Abgastest. Bitte öffnen.“. Grossmutter wunderte sich ein wenig, da sie sich doch erst gerade hatte frisieren und neue Kardanwellen machen lassen, aber sie öffnete trotzdem, und wurde, wie ihre beiden Schwestern, mit einem Bissen vom Golf verschluckt, bevor sie auch nur „ABS“ sagen konnte. Dann legte er sich in das Bett der Grossmutter und zog die Decke so weit hoch, dass nur noch wenig von ihm zu sehen war.

Unterdessen war auch das Radkäppchen bei der Garage von Grossmutter eingetroffen und klopfte an die Tür. „Herein“ rief der Golf und Radkäppchen trat ein und zum Bett der Grossmutter. „Ei, Grossmutter, was hast du für grosse Scheinwerfer?“ – „Dass ich dich besser blenden kann!“ - „Ei, Grossmutter, was hast du für eine lange
Nase?“ – „Damit ich mich nicht riechen muss!“ – „Und, Grossmutter, was ist das für ein komisches Metallteil an der Nasenspitze?“ – „Das ist ein Piëching!“ - „Aber, Grossmutter, was hast du für grosse Röhren?“. Da platzte dem Golf der Airbag und er verschluckte das freche Radkäppchen. Dann fiel er in einen tiefen Schlaf und träumte von Monza.

Kurz darauf kam ein Jaguar des Weges. Als er es aus der Garage der Grossmutter röhren hörte, ärgerte er sich, dass das lauter tönte als sein eigenes. Er öffnete die Tür und sah den bösen Golf und dachte: „Aha, jetzt hab ich dich“. Sofort öffnete er die Motorhaube und entnahm in der genannten Reihenfolge: drei ältere und eine jüngere grüne Radkappe, einen fabrikneuen ungebrauchten Katalysator, ein Stück angefaulte Software und jede Menge Stickoxide. Dann füllte er ihn mit Sommergerste und Winterkorn, trat ihm eine Beule in den Kotflügel und schickte ihn als Entwicklungshilfe nach Afrika. Mit den vier Radkappen aber fuhr er fröhlich an den Bio-Wochenmarkt und tauschte sie dort gegen eine neue Sitzgarnitur aus Wolfsleder mit Bodenhaltung ein.

Der böse Golf aber muss seither ohne Airbag, Katalysator und Radkappen durch Ouagadougou tuckern und Bananen schleppen, und wenn er nicht verrostet ist, tut er das noch heute. Nachts aber, wenn alle schlafen, dann träumt er wieder von Monza, und heult laut auf.
Wergolf

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