Ein Kater namens Sidi Brahim

iQ

Lange habe ich mich dem aktuellen Trend verschlossen und iPhone, iToilet und iRack verweigert. Ich war stolzer Besitzer eines uralten hellblauen Nokia-Handys, mit dem man zwar nicht filmen, blind über Fuss­gängerstreifen laufen und Hoden wärmen konnte, dafür aber telefonieren und weitwerfen. Auch dass jeder Dummy in Australien die Kamera und das Mikrofon deines neusten Smartphones einfach so anschalten kann, wann er will, ohne dass du das merkst, fand ich keinen Grund zum Aufrüsten. Meine Grossmutter hat das mit dem Handy von Geri Müller hingekriegt, als er es gerade im Hosensack hatte. Blöd gelaufen.

Jetzt aber bin ich doch stolzer Besitzer eines iTennisarms. Wie das? Der Sündenfall oder der Biss in den Apfel begann mit einer iWatch. So praktisch dachte ich, deine ganze Organisation am Handgelenk und erst noch mit überall vernetzt: Oma, Ehefrau, Zweitfrau, Chef, NSA, Merkel und Pizzakurier. Cool. Nur der Kühlschrank bockt noch, analog eben, Modell Sibirien, von gestern, aus dem kalten Krieg.

Mit penetrantem Fiepsen weckte mich meine neue Geliebte am Handgelenk nach der ersten Nacht aus den schönsten Träumen von einer hochglanzpolierten flachen Welt mit runden Ecken und warf mich in den Alltag zurück, zum alten rostigen Toaster, den man noch von Hand bedienen muss, und nach Sibirien. Von einem Kühlschrank träumend, der nicht nur selbständig per Internet einkauft, sondern auch gleich Spiegeleier brät oder eine Vichyssoise zubereitet, sobald du dich auf den Heimweg
machst (weil er mit meiner iWatch redet und die weiss, auf was ich gerade Lust habe), begab ich mich ins Büro. Seltsam wenig Verkehr heute Morgen! Die Virtualisierung der Arbeitsplätze nimmt also doch zu. Erst im Büro fiel mir auf, dass es immer noch dunkel war. Mit einem letzten Fiepsen und kaum noch lesbarer Schrift verkündete meine iWatch, dass es 2 Uhr sei und die Batterie leer. Dann bestellte es noch eine Pizza und erlosch.

Sofort hetzte ich wieder los, weil ich das Ladegerät natürlich zuhause vergessen hatte. Vor der Tür stiess ich erst mal mit dem Pizzakurier zusammen - der freche Kerl wollte noch Nachtzuschlag - dann sofort ans Netz mit meiner Uhr. Eine Pizza und drei Stunden später konnte ich nun endlich im üblichen Stossverkehr zur Arbeit fahren. Aber eben: Da hatte Oma schon entdeckt, dass ich jetzt auch unterwegs erreichbar bin, mein Chef suchte mich schon, der NSA wollte den neuen Kühlschrank liefern, meine Frau sich mit der Zweitfrau verbinden lassen, Merkel hatte sich verwählt, sie wollte eigentlich den Alexis wählen, und ausserdem musste ich noch drei weitere Pizzen abbestellen. Darum jetzt der iTennisarm. Ich war kaum im Büro und beim Chef, da fiepste das Handgelenk schon wieder. Mein Chef wollte mir zum Glück nur sagen, dass er es begrüssen würde, wenn ich vermehrt Home Office machen würde, weil einfach nicht so viel Platz im Hause sei für die vielen Pizzaschachteln, eine Anregung, die ich dankend aufnahm, da ich im Stress das Ladegerät natürlich wieder zuhause vergessen hatte. Der Strom reichte gerade noch, um heimwärts im Vorbeigehen versehentlich die Nationalbank via NFC-Chip etwas zu erleichtern und Tsipras Dank dafür entgegen zu nehmen. Dann umfing mich eine eigenartige, wohltuende Stille.
Eigentlich schön, wenn der Akku nur 9 Stunden hält, da bleibt dir noch etwas Zeit für dich selbst.

Irgendwann, spätabends - ich weiss leider nicht um welche Zeit - schaffte ich es, mir einen Weg durch die Pizzaschachteln hindurch zur Haustür zu bahnen. Als ich den neuen Kühlschrank Marke iCeman öffnete, um mir ein Bier zu holen, dampfte eine Kuttelsuppe darin. Das Bier hatten meine Erst- und Zweitfrau schon gemeinsam leergetrunken.

Vielleicht bin ich aber auch einfach zu blöd, um mit der iWatch sinnvoll umzugehen, dachte ich am nächsten Morgen, und beschaffte mir ein iBrain, um meine Intelligenz etwas besser zu unterstützen. Das Teil ist nur ca. 80 x 80 x 60 cm klein, gräulichweiss, abgerundete Ecken natürlich und auf vier Rädern und mit einer Kordel zum hinten nach ziehen. Ich hatte eben Glück und konnte eine mobile Version erstehen. Das iBrain verträgt sich prächtig mit meiner iWatch, die beiden funken den ganzen Tag miteinander, so dass meine Oma gar nicht mehr durchkommt und die Pizzaflut auch endlich aufgehört hat. Nur tut mein anderer Arm jetzt auch schon weh vom Ziehen. Und manchmal haben die beiden etwas viel Flausen im Kopf, tun sich mit iCeman zusammen und füllen ihn mit angebissenen Pferdeäpfeln.

Aber was soll ich machen? Ich komme da nicht mehr raus. All diese Teile gehören irgendwie zu meiner neuen Identität, meiner iI.
iDiot

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