Ein Kater namens Sidi Brahim

Heuschrecken aus dem Silicon Valley

Als ich auf den Balkon trat, um die Geranien zu giessen, nahm ich ein feines Summen wahr, dem ich aber nicht weiter Beachtung schenkte. Dann geschah es: Direkt vor meine Füsse plumpste eine Pizza Margherita, nach guter alter Murphyscher Manier mit der Käseseite nach unten. Erschrocken blickte ich gen Himmel und sah eine Art Kreuzung zwischen einem Tischgrill und einer Riesenkrabbe Richtung Stadt davonfliegen: eine Drohne. Während ich den heissen Käse vom Balkonboden kratzte und beschloss, künftig auf die Expresslieferung meines Mittagessens wieder zu verzichten, wurde ich schmerzhaft am Hinterkopf von der Star Wars DVD getroffen, welche ich in einer nostalgischen Anwandlung bei Amazon bestellt hatte. Die Amazon-Drohne kriegte nicht ganz die Kurve und stiess über der Neubrücke mit einer Packung Toilettenpapier zusammen - ich selber zog es vor, mich in die Wohnung zurückzuziehen, um nicht Opfer weiterer Drohnenangriffe zu werden. Der Sohn unserer Nachbarn liegt seit Weihnachten im Spital - er wurde von einer Playstation 4 getroffen. Wir machen seit längerem geschenklose Weihnachten, um unsere Überlebenschancen zu erhöhen. Auch wenn die weihnachtliche Geschenklieferung per Himmelskörper schon jahrtausendalte Tradition hat, scheint sie ja immer noch nicht ganz reibungslos zu funktionieren. Schon damals brachten die drei Weisen ihre Geschenke zuletzt dann doch zu Fuss aus dem Morgenland, weil sie der Technik nicht ganz trauten.

Auch wenn Pizza mit Geranienblütenblättern und Moos gar nicht übel schmeckt: Ein
Schweregefühl blieb, und ich beschloss, joggen zu gehen und dabei Fluffi, meinen Hund, gleich mitzunehmen. Als ich schon die Schuhe anhatte und vor die Türe treten wollte, fiel mir brandheiss ein, dass ich noch eine Kiste Wein bestellt hatte, deren Lieferung für heute Morgen angekündigt war. In Gedenken an die Pizza und wie sie zu mir gelangt war, war es mir zu riskant, das Haus zu verlassen. Aber Fluffi musste trotzdem mal dringend. Ich zog es daher vor, meine letzthin erstandene Neuanschaffung des Robicopters auszuprobieren, eine geniale Drohne, die man stufenlos auf 10-60 Minuten Spazieren oder Joggen einstellen kann, wenn man selber grad mal verhindert ist, und die dabei gleich wahlweise den Hund oder den Hauskehricht mitnimmt. Ich stellte auf "Hund", klemmte ein Robidog-Säckchen in die dafür vorgesehene Halterung, hängte die Leine ein und schickte die beiden los an die Aare.

In der Stadt Zürich sollen Hundehalter ja angeblich weniger unter Fettleibigkeit leiden als in Bern, weil dort seit einiger Zeit Drohnen verboten sind. Dann muss man halt selber wieder mit Hund und Tüte raus, das hält fit. Dafür liegt das Risiko eines Sonnenbrandes im Mythenquai-Strandbad deutlich höher als im Marzili, weil letzteres direkt unter der Hauptverkehrsachse für Luxemburgerli zwischen Zürich und Gstaad liegt und daher relativ viel Schatten abkriegt. Gewiefte Berner Hundehalter sollen ihre Robicopter unterdessen zu Kidnapperdrohnen umprogrammiert haben und vorzugsweise im Raum Marzili einsetzen - was allerdings das Problem der Fettleibigkeit ihrer Besitzer zusätzlich verschärfen dürfte1.

1 Im Gstaader Jet-Set grassiert zurzeit eine Durchfallepidemie - der Kantonsarzt rätselt noch über deren Ursache.
Überhaupt scheinen die Zürcher das kreative Potential dieser neuartigen Insektenplage zu unterschätzen. Drohnen machen sich bei Alt und Jung nützlich: Weitsichtige Grossmütter schätzen sie als Hilfe beim Zeitungslesen, deren Enkel beim Selfieschiessen während dem Base Jumpen. Die Chinesen setzen seit der erfolgreichen Ausrottung der Bienen Drohnen für die Bestäubung ihrer Obstplantagen und zum Honigsammeln ein. Letzthin orderte ich neugierig mal ein Glas Sichuan-Walddrohnenhonig. Gar nicht übel, wenn man die Tannzapfen und Dissidenten mal rausgeklaubt hat. Auch der Gelbe Riese, dessen traditionelle Postdienste durch die neue Technologie arg in Bedrängnis geraten, setzt jetzt auf dieselben: Letzthin sah ich einen demontierten Briefkasten per Drohne zur Verschrottung fliegen. Die BKW überwachen das Wachstum der Kernmantelrisse ihres AKW 's mit Drohnen und müssen nicht mehr ihre Mitarbeiter mit der Messlatte losschicken und der Verstrahlung aussetzen. Und afghanische Jihadisten sind letzthin auf die Idee gekommen, die Grundmaterialien für ihre Sprengsätze von Wallmart per Drohne einfliegen zu lassen. Sie werden dann in traditioneller Kinderarbeit vor Ort zusammengesetzt und gleich wieder zurückgeschickt. So vermeidet man Leerflüge, schafft Arbeitsplätze und verbessert trotz globalisiertem Weltmarkt die CO2-Bilanzen der Nationen.

Als mein Robicopter heimkehrte, winselte Fluffi aus dem braunen Säckchen heraus, das fein säuberlich verknotet war. An der Leine schepperte ein Robidog-Kasten hinterher. Es gibt noch viel zu tun.
Bethlehelm

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