Ein Kater namens Sidi Brahim

Minderwertsteuerparadies

Eben doch nicht "Abenteuerspielplatz" steht hinter der Abkürzung ASP, sondern "Angebots- und Strukturüberprüfung"! Gut, für den Politiker ist das vielleicht schon Abenteuerspielplatz, aber nicht für den stinknormalen Steuerzahler am anderen Ende der Nahrungskette. Für den ist ASP ein weiterer abenteuerlicher Euphemismus wie Entlassungsproduktivität, Leerverkauf , Endlager und Bündnerfleisch und ganz einfach die Kehrseite des Steuerzahlens. Je mehr er Steuern zahlt, desto mehr werden die Angebote und Strukturen überprüft, weil dann eben mehr Geld für ASP zur Verfügung steht.

Diese positive Korrelation zwischen Mehrleistung und Minderwert gilt auch am anderen Ende: Eine einfache Massnahme, um Steuern zu sparen, ist möglichst viel Auto zu fahren. Ich kann nämlich jeden gefahrenen Kilometer von den Steuern abziehen. Von den so durch mich eingesparten Steuergeldern baut dann der Bund die vielbefahrenen Autobahnen von sechs auf acht Spuren aus.

Nun, ganz so einfach ist das alles natürlich nicht. Wenn ich nämlich bei Regenwetter Auto fahre, spare ich doch keine Steuern, weil ich als Häuschenbesitzer nicht nur Abfall-, Wasser- und Abwassergebühren zahle, sondern auch Regen­abwasser­gebühren, also eine Art Petruspinkelsteuer. Diese hebt dann die eingesparte Autobahn­verbrauchs­steuer wieder auf. Ärgerlicher­weise fallen die Regen­abwasser­steuern auch dann an, wenn ich gar nicht Autofahren möchte, weil das im Regen oder noch schlimmer im Abwasser (wann wird Regen zu Abwasser?) halt nicht so Spass macht, aber ich muss ja dann wohl oder übel fahren gehen, weil ich sonst in ein Steuerdefizit oder wie man so schön sagt in die Progression gerate und plötzlich viel mehr Steuern zahlen muss als ich Auto fahren kann. Mich ärgern natürlich diese Betonköpfe in der Steuerverwaltung, die mich bei Abwasser zum Autofahren zwingen, wo ich doch viel lieber mal ein Buch lesen oder ins Kino gehen möchte. Aber wenn ich dann durch die hin- und her quietschenden Scheibenwischer auf den
Grauholzstau starre, sage ich mir: Die Rechnung geht für die Steuerverwaltung langfristig nicht auf. Langfristig sorgt das nämlich für einen beschleunigten Treibhauseffekt, und dann wird die Schweiz zur Wüste. Und ich muss keine Regen­abwasser­gebühren mehr zahlen und nicht mehr Autofahren und auf den acht Spuren liegt eh eine Düne. Und die Ab- und Wassergebühren fallen mit dem Wasser auch weg. Tja, lieber Schettino, da hast du dann den Salat. Diese Gedanken machen grad so viel Spass wie der neuste James Bond.

Dass die Kapitäne der Steuerverwaltung zu simplizistischen Weltbildern neigen, zeigt sich schon allein in der Tatsache, dass sie vereinfachend davon ausgehen, dass ich genauso viel Abwasser erzeuge wie ich Wasser verbrauche und daher in meinem regenabwasserbesteuerten Häuschen nur eine Wasseruhr, aber keine Abwasseruhr montiert haben. Sie übersehen dabei komplett, dass ich wie viele andere Autofahrer jeweils dort im Wald pinkeln gehe, wo ich die Kehrichtsäcke deponiere. Ich muss aber trotzdem Abwasser- und Kericht-Grundgebühren zahlen. Das ist einfach ungerecht! Ich werde demnächst aus steuerlichen Gründen zum Eigenurintherapeuten.

Überhaupt wird das immer undurch­schaubarer, für was man Steuern und Gebühren zahlt und für was man wiederum bei der Steuererklärung Abzüge machen kann. Schmiergelder und Bussen wegen Steuerhinterziehung kann man von den Steuern abziehen, genauso wie die eigenen unschuldigen Kinder. Dies gibt den Secondos in den Bankdirektorendynastien eine genetische Rechtfertigung vor Gericht, um den längs- nicht mit dem quergestreiften Anzug tauschen zu müssen. Aber auch für die Normalos wird es immer schwieriger: Gilt jetzt für das Meerschweinchen der reduzierte Hundesteuersatz oder die Currywurststeuer und bei letzterer der Steuersatz fürs Mitnehmen oder fürs Sofortessen? Und was ist, wenn man es weder isst noch mitnimmt?

Ja, die Mehrwertsteuer! Für alles zahlt man ja Mehrwertsteuer. Für Busfahren, Telefonsex, Blinddarmoperationen und Laufmaschen. Vermutlich sogar wenn man
stirbt. Dabei ist häufig gar nicht offensichtlich, welchen Mehrwert man da eigentlich versteuert. Wenn ich z.B. in einem Fünfsternerestaurant ein Sechsgangmenu vernichte, zahle ich Mehrwertsteuer, obwohl das Essen nach meinem Eingriff meistens nicht wirklich mehr wert ist. Schon etwas logischer ist, dass die Mehrwertsteuer nur in reduzierter Form anfällt, wenn ich mir die sechs Gänge in Alufolie zum Mitnehmen einpacken oder per Post schicken lasse (Achtung: Stempelsteuer!). Aber wirklich gerechtfertigt ist sie eigentlich nur, wenn ich in Kantinen essen gehe, die zum Kundenkreis von Carna Grischa gehören und wo ich sie verständlicherweise vor dem Verzehr zusammen mit der vorgezogenen Entsorgungsgebühr entrichten muss.

Wie verwirrend die Steuergesetze sind, kann man gut an den Zürchern beobachten. Die haben auf kantonaler Ebene 2009 die Abschaffung der Pauschalbesteuerung angenommen, auf Bundesebene jedoch 2014 nicht. Man kann als rechtschaffenes Volk ja nicht immer nur abschaffen, muss auch mal wieder anschaffen gehen! Aber auch die in Bern sehen nicht mehr durch: Selbst die Pauschalbesteuerung, welche es Reichen einfach machen soll, hat es in sich: Diese Reichen werden anhand der Lebenshaltungskosten besteuert. Zu diesen gehören nach eidgenössischem Steuerrecht auch Bussen wegen Steuerhinterziehung. Diese Bussen sind ja bei Normalbesteuerten abzugsberechtigt, gelten also als einkommensmindernd, bei Reichen hingegen sind sie offensichtlich einkommensbildend, ausser im Hauptstadtkanton, dort sind sie einkommensneutral. Eine linksgesteuerte Berner Steueroptimierungspolitesse, die sich gegen diese optimal logikbefreite Praxis gewehrt hat, hat versehentlich aber ganz legal ihre eigenen Steuern wegoptimiert, was bei den nicht optimierten Steuerzahlern gar nicht so gut angekommen ist.

So, draussen fängt es an zu regnen, und die Flasche ist auch leer. Ich muss dringend die Regenabwasser- und Alkoholamsteuer wieder reinholen.
Gottfried Nielen Keller

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