Ein Kater namens Sidi Brahim

Hat Robert Parkers Hund Hämorrhoiden?

Ein Bekannter von mir springt jeden Herbst in den Denner oder PickPay (gut, letzteren gibt es ja jetzt nicht mehr, er wurde von ersterem zu einem unsäglichen Gebilde PickPenner aufgesaugt), sobald die ersten Bordeaux-Aktionen des Vorvorjahres in die Regale kommen. Genauer gesagt: diese Kisten kommen gar nicht in die Regale, sondern stehen halb- oder ungeöffnet am Boden rum. Der Rummel um dessen Inhalt sorgt dann schon dafür, dass sie nicht vom Personal, sondern von den Fans aufgerissen und geleert werden.

Schliesslich ist der Inhalt ja auch attraktiv: Da kriegt man 89 Parkerpunkte für blosse Franken 29.95, 18 Winespectator-Punkte für Fr. 34.95 oder sagenhafte 95 Parkerpunkte für Fr. 49.95. Mein Bekannter hat den Keller voller Parkerpunkte wie ein Pubertierender Pickel im Gesicht.

Dabei sind Parkerpunkte eine eigenartige Währung. Die Skala von 0 bis 100 verspricht auf den ersten Blick ein lineares Mass für
die Qualität. Hundert Punkte sind doppelt so gut wie fünfzig. Es ist aber keinesfalls linear. Sie bezahlen für hundert Parkerpunkte deutlich mehr als für zweimal fünfzig. Besser gesagt: die zweimal fünfzig dürfen Sie nur Gästen auftischen, die Sie nie wieder sehen möchten, die hundert wird Ihnen die lebenslange Treue der Gäste sichern, sofern diese etwas von Wein verstehen. Diese hundert werden Sie jedoch auch finanziell ruinieren, daher suchen Sie sich diese Gäste dazu gut aus!

Robert Parker hat eine feine Zunge und einen alten Hund der furzt. Ich kann nicht beurteilen, bei wievielen von ihm beurteilten Weinen der Hund zuvor ins Glas gefurzt hat. Die Weintester des Gambero Rosso verwenden auf ihren jährlichen Degustationsreisen sicherheitshalber drei Gläser und keinen Hund, aber einer unter ihnen hat vielleicht mal Bauchweh, ein anderer einen faulenden Weisheitszahn oder Hämorrhoiden und der dritte Liebeskummer, daher schmecken die Weine auch immer etwas anders und man kann jedes Jahr ein Buch darüber schreiben.

Ich finde es immer schade, wenn ein Wein, der mir schmeckt, von Parker oder seinem Hund 92 Punkte kriegt. Das hat er nicht verdient. Dann weiss ich nämlich, dass ich
nächstes Jahr das Doppelte dafür bezahlen muss und dass er mir deswegen nur noch halb so gut schmeckt, vielleicht auch wegen dem Hundefurz drin. Ein leidenschaftlicher Weinamateur verbringt sehr viel Zeit damit, herauszufinden, in welchen bepflanzbaren Ecken der Erde die Reblaus, Robert Parker und sein Hund bisher noch nicht aufgetaucht sind.

Wenn Punkte sammeln wirklich sein muss, dann bin ich dafür, dass man Müller-, Meier- oder Bünzli-Punkte sammelt. Diese drei Herren kennt niemand in der Weinwelt, aber sie wissen haargenau, was ihnen zu Kutteln, Spaghetti oder Fondue schmeckt. Sie sagen es auch, aber es interessiert niemanden, darum kriegt man den Wein noch um die Ecke und er ist zahlbar. Und er schmeckt tatsächlich gut zu Kutteln, Spaghetti oder Fondue. Bei Châteaubriand macht er dann allerdings schlapp – aber wann isst man schon Châteaubriand? Hoffen wir, dass sich Herr Müller nie einen Hund mit Hämorrhoiden kauft!
Le cochon enchânté

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