Ein Kater namens Sidi Brahim

Primatenwechsel

"Wer nichts wird, wird Wirt", so hiess es früher. Eine Beiz führen, das kann ja jeder, und wenn nicht, so hat’s immer genug Alkohol, um den Kummer über den schlechten Geschäftsgang runterzuspülen. Das ist heute schon ein wenig anders: Die Beizer müssen ganz schön in die Hosen, um einmal angesiedelte Gault-Millau-Punkte, Feinschmecker oder auch nur simple Biertrinker bei der Stange beziehungsweise Amöben, Pleiten und Lebensmittelkon­trolleure fern zu halten. Nur am Stammtisch sitzen und poltern reicht da nicht mehr aus.

Das liegt an der Konkurrenz. Nicht der gastronomischen, sondern der medialen. Wozu auch an den Stammtisch pilgern, um Muslime anzukleckern, drögen Drögelern den Sozialstaatschmarotzer anzuhängen oder grossbusigen Blondinen an den Speck zu greifen. Das kriegt man ja im Fernsehen von gut betuchten statt frittenölig be­schürzten Herren besser geboten. Wenn der Fuchs dem Hess vor der Reithalle gute Nacht sagt, der Sarrazin den Sarazenen die

Leviten liest oder der Führer von Lybitalien und der Ghaddafia, Silvio Ghaddafi, sich von einem Rudel angeheuerter Models den Bauch pinseln lässt, ist das mindestens so deftig wie eine Schlachtplatte und unter­haltsamer als ein Candle-Light-Achtgang-Dinner mit der Alten abzusitzen. Je träfer die Sprüche, je plakativer die Feindbilder, je arroganter der Auftritt, desto besser die Ablenkung vom eigenen vielleicht etwas dürftigen Leistungsausweis und desto treuer die Herde. Nur hohe Einfaltsquoten garantieren den Machterhalt.

Quod licet jovi idem licet bovi: Auch die Opposition kennt diese Methoden: In Amerika hat das Bush-Bashing den Tea Parties Platz gemacht, wobei es in der Natur der Sache liegt, dass man die Teetassen nur dann gegen den politischen Gegner heben kann, wenn man sie nicht alle im Schrank hat. "Wer nichts wird, wird Politiker".

Nun, grenzenlos funktionieren die Ablen­kungs­manöver auch nicht. Wie lange werden dem Mammut Ahmadinejad seine verbalen Cruise-Fossiles noch genügen, um die längst fällige Moderni­sie­rung des Iran weiter zu unterdrücken? Steht zu

befürchten, dass sogar Stehauf­männchen Silvio von seinen Lemmings in Kürze nicht mehr wiedergewählt werden wird? Er hat das Regieren mit dem Joystick nun wohl doch etwas zu sehr übertrieben. Auch der Thron des aktuellen französischen kleinen Sonnenkönigs ("la retraite, c'est moi!") wackelt unterdessen bedenklich, und er riskiert trotz Roma-­Schieberei und Freisetzung des alten Woerth mitsamt dessen Leiden von seiner blütenweissen Vergangenheit eingeholt und in die eigen­händig abgeschaffte vorzeitige Rente geschickt zu werden.

Ein Primatenwechsel scheint in diesen und anderen Ländern langsam angebracht. In den meisten Fällen wird das Nachfolge­modell wieder einen Schwanz oder einen roten Arsch haben. Das sorgt für politische Kontinuität und ist für die Herde beruhigend.
Mobitutu Sese Seko Kukuk Tuttifrutti judihui

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