Ein Kater namens Sidi Brahim

Unkraut verdirbt nicht

Es gab mal eine Zeit, da wurde in der Toskana Sangiovese, im Piemont Nebbiolo und im Seeland Zwiebeln angebaut. Heute ist alles anders: In der Toskana wächst Cabernet Sauvignon, im Piemont wächst Cabernet Sauvignon und im Seeland wachsen gottseidank Zwiebeln, obwohl der piemontähnliche Novembernebelgehalt dieser Region auch den Anbau von Cabernet Sauvignon nahelegen würde. Wahrscheinlich sind die Seeländer Zwiebelbauern immer noch zu stark protektioniert und subventioniert, so dass sie es nicht nötig haben, auf den Anbau von Cabernet Sauvignon umzusteigen. In der Toskana werden cabernethaltige Getränke gerne "Supertoskaner" genannt und zu alkoholisch-astronomischen Preisen an Superreiche verhökert. Vielleicht könnte man für "Superseeländer" auch höhere Preise verlangen als für Zibelezüpfe am Zibelemärit - ein Argument zum Umsteigen?

Cabernet Sauvignon wächst eigentlich überall. Im Bordelais natürlich, aber eben auch im Piemont, in der Supertoskana, in der Provence, in Kalifornien, Australien, Rumänien, Grönland, ja eigentlich überall, wo auch Eichen wachsen. Eine Art Zwangssymbiose.
Ich glaube, sogar auf Wurstbroten, die im Schulranzen Sechsjähriger verloren gegangen sind, wächst Cabernet Sauvignon und in den Ritzen zwischen den Badezimmerkacheln, wenn schlecht gelüftet wird, obwohl ich dort noch nie Eichen gesehen habe. Eigenartigerweise habe ich in unserem Garten noch kein Cabernet gesichtet, wahrscheinlich ist der Cotoneaster noch zu dominant.

Was tun? Das Bundesamt für Unkraut (BfU) ruft zur militanten Bekämpfung des Riesenbärenklau auf: Mit Schutzkleidung, Flammenwerfer und neuem Feindbild gezielt gegen die Invasion aus Osten ankämpfend füllt mancher kalter Krieger die schmerzhaften Lücken, die in den neunziger Jahren entstanden sind. Dabei kommt doch die wahre Gefahr wieder mal völlig unerkannt aus dem Westen, aus dem Bushland, d.h. aus den verunreinigten Staaten von Amerika. Diesmal nicht als Reblaus sondern als Rebe selber. Dort, im Land von Coke und Oak, wird der Weinbau isonormisiert: Refosco, Grignolino und Garganega werden dort bestenfalls noch als Namen von dubiosen Spaghetti-Westernhelden erkannt, die möglichst schon bei der Einreise verhaftet werden. Sollten sie trotzdem mit falscher Identität ins Land gelangen, so wird Superman Cabbie sie sofort an die Achse des Bösen nageln.
Supercabbie ist offensichtlich jenseits des Tümpels sehr identitätsstiftend. Wenn ein multinationaler Konzern wie Mondavi Cabernetstöcke in allen Ecken des nicht ganz kleinen Landes (und nun auch schon nach aussen metastasierend) in die Erde steckt, den Aufwisch daraus wild durcheinandermischt und eicht, gilt das immer noch als Qualitätswein, den einfach jeder haben muss (und auch darf, es gibt ihn ja schliesslich in internationalen Mengen). In Europa wäre Vergleichbares ein Vin de table du pays ohne Jahrgang aber immerhin mit garantiertem Ursprung und Kopfweh und findet sich im untersten Regal im Denner in bruchsicherer Tetra-Verpackung oder im Fiasco (nomen est omen), sicher aber nicht in konischen Flaschen mit Konfirmandenkragen. Dolce & Gabbana machen halt auch aus Eseln Prinzen.

Dass ein derart cocacolasierter Durchschnittsgeschmack die Eigenwilligkeit von Weinen aus Mourvèdre, Savagnin oder Sagrantino nur noch igitt finden kann, ist begreiflich. Daher appelliere ich an die Weltgeweinschaft: Trinkt Pepsi! Es lebe die Diversität!
Al Cabbone

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