Ein Kater namens Sidi Brahim

Verschrottungsprämie

Frankreich hat sie erfolgreich eingeführt: die Verschrottungsprämie. Wer sein noch brauchbares Auto zur Verschrottung bringt und dafür ein neues, diskreter stinkendes kauft, kriegt eine Prämie. Das soll angeblich die Konjunktur ankurbeln. Den Deutschen hat das gefallen und sie haben es nachgemacht. Leider klappern die alten Mercedesse und BMWs weiterhin über die Strassen, da sie trotz ihres Alters mehr wert sind als die Prämie. Die Peugeots und Zitronen werden jedoch fleissig gepresst und gegen neue Zitronen und Peugeots eingetauscht, was die Franzosen natürlich freut. Sie haben ja auch das Urheberrecht auf die tolle Idee. Trotzdem geht die Rechnung auch für Deutschland wirtschaft- lich auf: Dank der Verschrottungsprämie wird auf den deutschen Autobahnen noch schneller gefahren, was die einheimischen Bestattungsunternehmer freut, die ja auch leben wollen. Und nun wollen sogar die Oesterreicher, die gar keine eigene Autoindustrie haben, die Prämie einführen, wahrscheinlich primär um die Verschrottung der eigenen Staatsfinanzen anzukurbeln. Oder vielleicht haben sie einfach Angst vor einem Autofriedhof nach Kaufdorfer Modell?

In Italien wird dagegen Altes liebevoll konserviert. Stellen Sie sich einen alten Cinquecento vor: das Chassis völlig durchgerostet, der Motor kaputt, Scheibenwischer und Radio geklaut, Scheiben eingeschlagen, das Oel läuft aus, die Reifen platt. Nur noch der linke Blinker
funktioniert tadellos. Was macht man damit? Man streicht die ganze Katastrophe mit teurer Metallic-Farbe neu an und freut sich daran, wie der linke Blinker blinkt. Alles andere funktioniert aber weiterhin nicht. Sie haben es richtig erraten: Der Cinquecento ist die Alitalia und der linke Blinker sind die Gewerkschaften. Die Farbe stammt aus Frankreich. Italien liefert damit das Musterbeispiel, dass es ohne Verschrottung wirtschaftlich nur abwärts gehen kann. Ganz anders die Schweiz: dank milliarden- teuren Verschrottungsprämien an die UBS für die Entsorgung klappriger Finanzvehikel laufen die UBS-Bonuszahlungen unterdessen wieder wie geschmiert.

Nicht ganz einleuchten will mir allerdings, warum die Verschrottungsprämie nur für Altautos gewährt wird, nicht aber beispielsweise für den Ersatz rostiger Velos. Das würde die Wirtschaft doch auch ankurbeln und wäre noch etwas ökologischer. Oder noch besser: Für jedes verschrottete Auto gibt’s ein Velo gratis. Und mit den Geldern der Denkmalpflege könnte man viel sinnvoller eine Abrissprämie für Altbauten finanzieren. So könnte man die Häuserzeile zwischen Gerechtigkeits- und Junkerngasse endlich niederreissen und Parkflächen für all die schönen Neuwagen erstellen. Auch sollten keine Lawinen- und Hochwasserverbauungen mehr erstellt werden, da wir damit ja nur die natürliche Verschrottung von Gütern behindern, die dann ja nicht mehr wirtschaftsankurbelnd ersetzt werden können. Auch für Dinge des täglichen Lebens wäre das Prinzip anwendbar: Statt gebrauchte Unterhosen und Socken zu
waschen, lassen wir sie vom Milchmann einsammeln, der sie dem eidgenössischen Departement für widerwärtige Angelegenheiten weiterleitet. Über die allgemeine Kehrichtgebühr kriegen wir dann einen Fonduegutschein zurückerstattet. Völlig widersinnig ist ja auch, dass wir bisher für gebrauchte Bierflaschen eine Rückgabeprämie, sprich Depot erhalten haben. Damit konnte man die Flaschen ja einfach wiederverwenden statt neue zu produzieren. Wesentlich umsatzfördernder wäre doch eine Rückgabeprämie für Altbier – das Reinheitsgebot verhindert hier von vornherein eine wirtschaftsfeindliche Wiederverwendung. Oder wie wäre es gar mit einer Verschrottungsprämie für ausgediente Ehepartner, wenn der neue Partner mindestens zwanzig Jahre jünger ist?

Ich habe beschlossen, ebenfalls von diesem genialen Prinzip zu profitieren: Beim Bundesamt für Landwirtschaft liegt unterdessen mein schriftlicher Antrag, den Absatz einheimischer Landweine mit Verschrottungsprämien für alten Bordeaux zu fördern. Störend nur, dass wohl wieder die Franzosen die lachenden Dritten sein werden, denn ich fürchte, nach der Leerung meines Kellers werde ich nicht auf Bielersee-Chasselas umsteigen. Der passt einfach nicht zu meinem neuen Maserati.
Marcello Opel

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