Ein Kater namens Sidi Brahim

Gurkensalat

Der Termin rückt wieder mal viel schneller näher, als einem recht ist: Am 15. März sollte ich die Steuerhinterziehung abgeben. Noch habe ich nichts gemacht, und das sind so die Momente, in denen ich aus Panik mit der SVP solidarisiere. Es ist ja schon auffällig, wie Vertreter diese Piratenpartei just vor dem 15. März immer wieder Sperrfeuer an Vorstössen und Breitseiten an Volksinitiativen lancieren, um den Staat zu versenken, vermutlich aus reiner Panik, weil sie vor der Steuererklärung sitzen, Unordnung in den Belegen haben und keine Ahnung, wie sie anfangen sollen, und dabei kreativ werden. So geht es ja auch mir. Es ist immer schlecht für den Staat, wenn die Wahlen im Frühling sind, weil dann wählen alle Gurkensalat1. Der Staat ist dann nur noch das Monster unter dem Bett, das uns in schweisstreibenden Albträumen das Geld aussaugt, um damit weitere graustaubige zahnradbetriebene Beamte anzustellen, die mit den Paragraffen, Kontrolöhren und Brüsselemuren unter einer Decke stecken, Blut lecken und mit roten Augen neue Steuern aushecken, welche die eh schon schmale Lücke zwischen Einkommenssteuer und Ausgabensteuer mit Strampelsteuer, Kirschen- und Zwetschgensteuer, Stamm­tischsteuer, Kopfsalatsteuer, Regenwasser­steuer, Sonnenscheinsteuer, Hunde-, Hundekot- und Hundekotam­schuh­steuer, Salzstreuer und Vielzusteuer zuschütten, bis uns nur noch die abgelutschten Knochen unseres vormals stattlichen Einkommens bleiben, um die wir uns noch mit unserem Vermögensberater streiten müssen. Aber zum Glück gibt es ja die Fürsorge, bei der wir Zustüpfe für BMW2 und Billag3 beantragen können. Und für Gurkensalat und Champagner.

Nun ja, noch schwimmt der angeschossene Staat, aber immerhin ist er schon etwas in Schieflage und liefert uns in selbstlos autokannibalischer Weise hervorragende Steueroptimierungstipps. Dazu erst mal ein Rätsel: Was ist gelb, macht Tü-Ta-Too und hat Schlitzohren?

1Gurken haben wenig Kalorien, Synkopen und Präjudizien und sind daher als Beilage zu Rösti bei der SVP beliebt
2Brot Mit Wasser
3Billiges Lagerbier
Jetzt wissen wir also, woher die Post so viel Geld hat, um damit funktionierende Poststellen in Kioske und Basare umzubauen, wo die Leute zwischen Kaugummi, Gummienten, Entenfutter und Futternäpfen für Kaugummienten die Briefmarken nicht mehr finden, und damit einen Grund zu schaffen, dass die Poststelle wegen Nicht­funktionierens geschlossen werden darf. Oder Monteure anzustellen, die Briefkastenschlitze abmontieren, weil die Leute eh keine Briefe mehr einwerfen, weil sie keine Briefmarken mehr haben. Logisch ist auch, dass die Restpostzustellung neuerdings mit dem Postauto erfolgt. Wohlklingender Dreiklang kündigt den Einmarsch der Steuerrechnung an, mit der wir dies alles auf verschlungenen Wegen finanzieren. Demnächst wird laut Gerüchten die erste quersubventionierte Postautolinie nach Panama eröffnet, die werde ich dann benützen, um abzugsfähige Fahrkosten von weit über fünfzehntausend Franken zu generieren. Soviel kostet ja schon der tägliche steueroptimierte Fussmarsch des höchsten Steuerverwaltungschefs des Kantons Waadt von seinem Wohn- an seinen Arbeitsort in Lausanne.

Aber ich schweife ab. Erst mal die Anleitung runterladen. Das ist schon gar nicht so einfach. Habe natürlich erst mal die falsche Anleitung erwischt und dort aufschlussreiche Informationen erfahren wie zum Beispiel, dass gemäss Abschreibungsverordnung (AbV) Art. 7 der Abschreibungssatz für Zugseile von Luftseilbahnen 40% beträgt, für Kabinen aber nur 20%, und dass gemäss Art. 10, Absatz 1 «Bauten, die für die Unterbringung von Pflichtlagern gemäss Art. 19 erstellt werden», jährlich mit 10% abgeschrieben werden dürfen, jedoch gemäss Absatz 2 «für Tankanlagen, die zur Aufnahme der Pflichtlagermengen an flüssigen Treib- und Brennstoffen bestimmt sind» besondere Weisungen der Steuerverwaltung gelten. Als ich mir darüber den Kopf zerbrach, in welchen Absatz mein Weinkeller fällt, fiel mein Blick auf die Fusszeile des Dokuments: «Wegleitung Vereine, Stiftungen und übrige juristische Person». Meine telefonische Nachfrage bei der Steuerverwaltung klärte dann schnell, dass ich nicht zu den juristischen Personen zähle, sondern im Gegenteil…, ich habe dann die andere Anleitung, also die für kriminelle Personen gefunden.
Gemäss dieser habe ich erst mal die Fahrkosten von fünfzehntausend Franken, Weiterbildungskosten von zwanzigtausend Franken, nämlich für das Studium der Anleitung zum Ausfüllen der Steuererklärung für juristische Personen, den Mitgliederbeitrag für die SVP und den für den «Verein zur Abschaffung der Steuerverwaltung»4, die Ehefrau, das Kind, die Katze und das übrige Mobiliar abgezogen, es blieb aber immer noch ein erklecklicher Steuerbetrag übrig. Den Weinkeller konnte ich hier leider nirgends in Abzug bringen, offensichtlich trinken nur juristische Personen Wein, und andere psychosoziale Drogen zur Bewältigung der Steuererklärung sind nicht abzugsberechtigt. Da hilft nur noch eins: Vergabungen. Das sind Gelder für wohltätige Zwecke, also z.B. Zuwendungen an den armen Handwerker, damit er die Zusatzkosten für die Erstellung einer zweiten Rechnung für die Fassaden­renovation zuhanden der Steuerverwaltung etwas besser verkraften kann5. Auch die Zusatzaufwände für Auslandüberweisungen, die ich im Zusammenhang mit einer Neuregelung meiner Lohnzahlungen in Kauf nehmen musste, fallen darunter, ebenfalls die Steuergeschenke, die ich meinem persönlichen Berater in der Steuerverwaltung überreicht habe. Vergabungen sind das, so habe ich das verstanden, was «Werbekosten» oder «Spesen» für juristische Personen sind, einfach für den kleinen Mann. So, und jetzt warte ich gespannt auf die erste Rate. Mit der gehen wir dann erst mal ganz dicke essen. Nicht nur Gurkensalat!
Optimus

4Den ich 2015 bereits erfolgreich in Abzug gebracht habe. Wer es nicht glaubt, dem gewähre ich im Gegensatz zu Broulis gerne Einsicht in meine Steuerdokumente
5Man sollte darauf achten, dass nicht derselbe Name des Begünstigten unter Vergabungen und Unterhaltskosten auftaucht


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