Ein Kater namens Sidi Brahim

Warmduschen und reichwerden

Jeder hat ihn schon einmal in der Hand gehalten und weiss, welchen unsagbaren Wert er in bestimmten Situationen des Lebens haben kann: Auf einem Campingplatz, in einer SAC-Hütte oder beim geizigen Vermieter. Zwei Rillen vorne, eine hinten. Aber trotzdem wird sein Wert unterschätzt. Aus der Hand, aus dem Sinn. Kaum in den Automaten gesteckt, schon vergessen. Das kann nicht sein, sagte ich mir. Ausserdem schien mir da Potential vorhanden zu sein, reich zu werden.

Im Gegensatz zum Bitcoin hat ja der Duschjeton drei grosse Vorteile: Erstens, dass er wirklich existiert. Man kann ihn in der Hand halten, fühlen, mit dem Daumennagel den drei Rillen nachfahren. Für Analog Natives ein Vorteil. Probieren Sie das mal mit einem Bitcoin aus! Zweitens: Es existiert ein reeller, materieller Gegenwert zu ihm, nämlich warmes Wasser. Der Gegenwert zum Bitcoin ist ja nur verbrauchter Strom. Der Nutzen des Bitcoins schlägt ja sämtliche bisherigen Erfindungen der Menschheit an Sinnlosigkeit, inklusive dem Schololadensparschäler für Linkshänder, dem Bügeleisen für Strings und dem Fünfräppler. Und drittens ist sein Wert aktuell bei einem oder zwei Franken, jeder Prolet kann sich so einen noch leisten, was beim Bitcoin nicht mehr der Fall ist.

Etwas mehr als diese Überlegungen brauchte es aber schon noch, um damit reich zu werden. Die zündende Idee hatte wie immer Eva: Im Werken hat sie aus Duschjetons eine Kette gefertigt und mit Blümchen bemalt und Mama unter den Weihnachtsbaum gelegt.
Obwohl ich mich erst darüber geärgert hatte, dass die Jetons durch die zum Auffädeln gebohrten Löcher entwertet waren, musste ich einsehen, dass sie durch die manuelle Nachbearbeitung massiv an Wert zugelegt hatten, vor allem an emotionalem. Duschen konnte man damit nicht mehr, aber trotzdem fühlte man sich viel reicher damit. Die Duschjeton-Blockchain war geboren.

Der Rest war Fleissarbeit: Duschjeton-Blockchain patentieren lassen, ein Facebook- und ein Twitter-Konto eröffnen und das erste Bild der Blockchain veröffentlichen, mit Hilfe derselben Chinesischen Techniker, welche in der Mongolei die Bitcoin-Farmen betreuen, gezielt ein paar Fake News verbreiten über den angeblichen Nutzen dieser neuen Erfindung. Die Spielregeln: jeder darf mitmachen und in die Duschjeton-Kette ein oder mehrere Glieder anmalen und einfügen lassen. Der Wert verdoppelt sich alle 10'000 Kettenglieder, 10% des Wertes gehen an mich. Damit nicht beschissen wird, wird das Einfügen und der Wiederverkauf durch speziell ausgebildete Techniker ausgeführt, die meistens aus der Mongolei stammen. So die offizielle Sprachregelung. Inoffiziell habe ich einfach selber eine Strichliste geführt und mich gehütet, Löcher in die Jetons zu bohren oder bohren zu lassen, da ich viel zu gerne warmdusche. Aber das braucht ja keiner zu wissen.

Jedenfalls ist der Plan aufgegangen: Wahrscheinlich nicht zuletzt wegen dem Flowerpower-Touch meiner Idee und dem ökologischen Seiteneffekt, dass auf Zeltplätzen und in SAC-Hütten neuerdings alle kalt duschen. Das hat zuletzt auch bisher hartnäckige Börsenwahnsinnsverweigerer der Alt-68-er Generation überzeugt. Die
Duschjeton-Blockchain wurde zum Renner. Wenn ich mir die Kursentwicklung des Duschjetons ansehe, dann erinnert mich die an die Populationszahl von Kaninchen in Australien, an die Verbreitung von Grippeviren in einem Bernmobilbus oder an einen nordkoreanischen Raketenstart, also schlicht an Wahnsinn. Oder auch an die Kursentwicklung des Bitcoins, die allerdings in den letzten Tagen wegen der Konkurrenz des Duschjetons etwas nachgelassen hat. Man sagt dieser Kurve ja Exponential­verteilung, welche die Eigenschaft hat, auf einen bestimmten Nullpunkt hin ins Unendliche zu explodieren. Es hat aber bis heute noch keiner gesehen, was mit der Exponential­verteilung hinter dem Nullpunkt passiert. Da der Nullpunkt der Duschjeton-Kursent­wicklung auf der Zeitachse in naher Zukunft liegt, ist es dringend angesagt, dass ich mir überlege, wie es nach dem Duschjeton weitergeht, da ja die Zeit wahrscheinlich weiterlaufen wird. Regnen dann geblümte Kettenglieder vom Himmel? Wird der Hype um den Duschjeton durch einen Hype um Braillepünktchen oder Zeckenbisse abgelöst? Wie muss die UBS diesmal gerettet werden?

Ich werde mich jedenfalls bis dann auf die Bahamas absetzen, da ich nach dem Nullpunkt wahrscheinlich nicht mehr so beliebt sein werde. To small not to jail. Dort kann ich warm duschen und werde ich viel Zeit haben, um an neuen Projekten zu tüfteln. Eine Idee habe ich schon, wobei ich erst noch prüfen muss, ob die Post sie nicht bereits patentiert hat: Fünfräppler vergolden.
Blechvreneli

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