Ein Kater namens Sidi Brahim

Die Ente, die Schlange und das Cassis-de-Donjuan-Prinzip

«Zeitungsente» ist ein Begriff, der heute nicht mehr verwendet wird. Heute heisst das «Fake News». Die beliebteste Zeitungsente, die wir kennen, heisst Donald. Die kommt aber nicht aus Entenhausen, sondern aus Münchhausen, nahe an der Borderline zu Mexiko.

Donald aus Münchhausen kennen wir ja sehr gut als leidenschaftlicher Gegner der deeskalierenden Kriegsrethorik, der nicht nationalistischen Gewaltausübung und des waffenlosen Tötens. Und seine Meinung ist ja der Prototyp der geraden Schlangenlinie. Seine Politik wird nun auch hierzulande langsam salonfähig. Es gibt ja auch hier einen Leader, der, kurz bevor er zum Bundesrat gewählt wurde, mit seinem Beitritt zum Verein Pro-Tell ein klares Statement für den freien Waffenbesitz abgegeben hat, um unmittelbar nach der Wahl wieder auszutreten. Das aber nicht, weil er erst nach seiner Wahl eingesehen hat, dass er als neuer Aussenminister genau die Verschärfung des
Waffengesetzes durchsetzen müsste, die der Verein bekämpft und die dummerweise notwendig wäre, damit die Schweiz nicht aus dem Schengen-Abkommen rausgeworfen würde. Nein, der Meinungsumschwung kam ja offensichtlich zustande, weil ihm wegen dieser Mitgliedschaft ein frischer Wind entgegengeblasen hat, der seine Frisur hätte zerstören können. Auch das eine Parallele zu Donald, einfach in grau statt in blond. Damit ist er - noch eine Gemeinsamkeit - zum Vorreiter der Gleichstellung in den höchsten politischen Ämtern geworden: gutes Aussehen und nicht etwa Kompetenz ist nun auch bei Männern der ausschlaggebende Faktor geworden, um gewählt zu werden. Das Cassis-de-Donjuan-Prinzip.

Die Bazooka-Elastizität der eigenen Meinung scheint sowieso eine Mussanforderung von führenden Politikern geworden zu sein. Das konnte man ja auch bei der Nationalratswahl in Österreich und der Abgeordnetenwahl in Tschechien beobachten, besonders in der Flüchtlingsfrage, wo unterdessen die führenden Politiker sämtlicher Parteien am äusseren rechten Rand ihr politisches Credo angesiedelt haben, ungeachtet früherer
Ansichten, weil das offensichtlich grad so im Trend ist. Man sollte nur aufpassen, dass man vor lauter Rechtsabbiegen am Ende nicht im Kreis fährt. Und man sollte auch bedenken, dass Bahnbrechendes nicht mit Schlangenlinien oder Kreiselfahren erreicht wird: Zwar hat auch Kolumbus im 15. Jahrhundert eine 180-Kehrtwende gemacht und Indien in der Gegenrichtung gesucht wie bisher. Aber wenn er den neuen Kurs dann nicht konsequent beibehalten hätte, würde er wohl noch heute zwischen den Azoren und den Kapverden Ananas spazieren fahren oder noch schlimmer in Afrika landen, sozusagen als invertierter Immigrant, und hätte nicht Amerika entdeckt. Gut, genauso sehr wie der heutige erste Amerikaner hatte der damalige erste Amerikaner etwas Mühe mit der Geografie und wusste nicht immer so genau, wo er ist. Und nüchtern betrachtet: eigentlich wäre es ja vielleicht gar nicht so schlecht gewesen, wenn Amerika gar nie entdeckt worden wäre. Das hat man nun von der geraden Linie!
Boa destructor

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